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Der Fall Julia Engelmann

  |   Alfreds Kolumne

Der Fall Julia Engelmann (bezieht sich auf den Beitrag vom 30.01.14)

Da wäre ich doch glatt reingefallen. Ich war wirklich begeistert von dem Video von Fräulein Engelmann. So frisch und unverdorben wie sie so daher kam. Völlig unprätentiös, natürlich und etwas aufgeregt. Der Text kam mir schlicht und wahr vor, nicht belehrend, sondern ermutigend und optimistisch. Nicht bedeutungsüberschüssig, sondern mit einfachen, zeitgemäßen Metaphern. Toll, dachte ich, da soll mal einer sagen unsere Jugend glotzt bloß ins Smartphone und rennt gegen den nächsten Laternenpfahl.

Die denkt selber und bringt das auch noch in Worte, die ins Herz treffen. Und das bei über 4 Millionen Menschen, die sich das Video angesehen haben.

Gottlob habe ich, wie man das heute so macht, die Reaktionen in Zeitungen und blogs gelesen. Ich wollt wisse, was echte Lyriker und Poeten, die Spezialisten also, von der ganzen Sache halten.  Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das war nämlich alles getürkt!

Fräulein Engelmann ist nämlich gar nicht Goethe! Die ist auch keine echte Studentin, die hat nämlich schon mal vor der Kamera gestanden!  Die ist noch nicht mal eine echte Blondine, sondern naturblond! Die tut nur so hübsch, das ist die gar nicht.

Der werte Leser kann sich meine Empörung vorstellen.

Daraufhin habe ich angstschlotternd und schweissgebadet meine persönlichen  Vorlieben überprüft und bin auf Abgründe gestossen. So was wie „Erdbeerfelder für immer“ (Beatles), „die Antwort mein Freund ist in den Wind geblasen“ (Bob Dylan), „wenn du frei sein willst, sei frei“ (Cat Stevens), fiel mir ein.

„Ich bin der Eiermann, sie sind die Eiermänner, ich bin das Walross“ (Beatles), na ob das Lyrik ist?

Aber auch die Altvorderen konnten es nicht besser. So meinte Tolstoi „wenn du glücklich sein willst, dann sei es“, wenn das mal so einfach wäre!

Banalitäten wie  „Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage“ kamen mir in den Sinn.

„Wir betreten feuertrunken, Göttliche dein Heiligtum“, als ob man Feuer trinken könnte. Pah! (Außerdem war das auch nicht Goethe, sondern Schiller).

Da wurde mir bewusst, dass der wahre Lyriker, dem ich meine Augenöffnung zu verdanken habe, ganz im Verborgenen, wie ein Schimmelpilz, vor sich hin künstelt.

Er verachtet den schnöden Rummel, die banale Öffentlichkeit und gebiert unter Blut, Schweiss und Tränen seine echten Sätze und Metaphern, die keiner versteht oder gar gut findet. Anders als Fräulein Engelmann, die sich im Yuotubelicht sonnt und jedem Klick entgegen geifert, erfolgreich, talentiert und hübsch erscheinen will. Erfolglosigkeit ist das wahrhafte Qualitätsmerkmal. Nur in hungriger Künstler ist ein wahrer Künstler ist die Devise.

Momentan ist der echte Wortkünstler an seiner grünlichen Gesichtsfarbe und dem Schaum vor dem Mund zu erkennen, der auf Fräulein E.´s Erfolg zurück zu führen ist.

Doch bald wird er mit neuem Eifer in seine Versenkung verschwinden und neue Lyrik drechseln, die natürlich wieder von der schnöden Öffentlichkeit ignoriert wird.

Wahrscheinlich ist Fräulein Engelmann noch nicht mal naturblond sondern rothaarig und reitet in der  Walpurgisnacht  um den Blocksberg. Würde mich jedenfalls nicht wundern, nach all dem was die Süddeutsche und einige andere wackere lyrikbegabten Zeitgenossen herausgefunden haben. Wahrscheinlich heisst sie nicht mal Engelmann und es ist Alles Image.

Jedenfalls weiss ich jetzt, dass wahre Lyrik dem Künstler und dem Zuhörer weh tun muss. Auf keinen Fall darf es einem gefallen oder gar begeistern. Betroffenheit geht grade noch, alles andere ist Täuschung. Dann handelt es sich um „postpubertäres Geschwurbel“, wie ein besonders wortgewandter Lyriker im Blog bemerkte.

Die Worte müssen durch eine schwere, schmerzhafte Geburt das Licht der Welt erblicken.

Davon merkt man bei der Engelmann nichts. Das kommt alles viel zu leicht und optimistisch daher. Das sieht nicht nach schlaflosen  Nächten, Drogen und Alkohol aus.

Deshalb kann das auch nicht gut sein.

Der olle Schiller mit seiner ewigen „Ode an die Freude“ ist mir auch schon suspekt. Wobei der wenigstens arm, krank und verkannt gestorben ist, was wiederum für Qualität spricht.

Der Goethe war wieder zu reich und ist auch alt geworden, was eindeutig gegen ihn spricht.

Es bleibt also schwierig mit der Kunst im Allgemeinen und der Lyrik im Besonderen.

Da ist es gut ganz sicher zu wissen, dass Fräulein Engelmanns Slam hohl, flach und sowieso indiskutabel ist.

Noch ein Wort an alle Nerds und Bildschirmjunkies: Ihr könnt wieder beruhigt an  eure Rechner und Smartphones zurückkehren. Ihr braucht keine Geschichten, die Ihr später gerne erzählt. Ihr müsst auch nicht das Haus verlassen, Feste feiern oder Euch mit Menschen abgeben. Das war alles bloss eine beunruhigende, unlyrische Perspektive von Leben.

Das wäre viel zu gefährlich und Ihr könntet Fehler machen.

Und ausserdem geht das alles auch noch später.